Zum Urweger Treffen
Als ich das letzte Mal in Urwegen war und so durch die Straßen schlenderte, beschlich mich ein befremdliches Gefühl. Vertraut und doch fremd war das, was ich sah. Es war nicht mehr MEIN Urwegen, das Dorf aus meiner Kindheit und frühen Jugend. Es hat sich verändert. Es fehlte was sehr Wichtiges: es fehlten die Menschen, die damals hier wohnten, die Urweger, die Urwegen zu dem gemacht haben, was es damals war.
Als mich Günther dann dieses Jahr fragte, ob ich ein Treffen der Urweger in Deutschland mitorganisieren wolle, habe ich dies gern gemacht. Viele von uns Urwegern hatten den Wunsch, nach sehr langer Zeit wieder mal ein Treffen in Deutschland stattfinden zu lassen. Diesem Wunsch kamen Günther Zeck, Michael Minth, Andreas Thiess und ich gerne nach. Mit viel Spaß bereiteten wir alles vor, sodass am 2.3. das Fest steigen konnte:
„Puhhh…schaut euch mal um. Schaut mal nach rechts und schaut mal nach links. Und? Was seht ihr? Lauter bekannte Gesichter, oder?“ begann Nadine Zey ihren Beitrag zu unserem Treffen. Viele der fast 400 Anwesenden konnten diese Frage mit „Ja!“ beantworten. Die Geschichte der kleinen Anna, die ihre Wurzeln nicht vergisst und deren Erinnerungen daran sie ein ganzes Leben lang begleiten ist auch die Geschichte von vielen von uns, die wir uns aus ganz Deutschland auf den Weg machten, um „gemeinsam unsere Kultur weiter (zu) pflegen und an die nächste Generation weiterzugeben.“ Wozu uns Nadine in ihrem Beitrag auch einlud.
Birgit Schorsten-Last eröffnete den Nachmittag mit einer Andacht. „Zu einem Fest wie heute gehört auch die Musik. Die Blaskapelle ist da, der Chor der Urwegerinnen und Urweger ist da. Wie schön, dass ihr diese Andacht und diesen Tag mitgestaltet.“ sagte Birgit und dem kann ich mich nur anschließen. „Lobe den Herren“ sangen die Anwesenden zusammen mit der Blaskapelle. Heimatliche Blasmusikklänge und altbekannte Melodien von den beiden Gruppen vorgetragen, begleiteten uns auch weiterhin durch den Nachmittag. Unser herzliches Dankeschön und ein großes Lob für ihr Engagement geht an die Leiter der Gruppen: Michael Rastel (Chor) und Michael Thiess (Blasmusik). „Lobe den Herren- die bewegte Geschichte der Urweger hatte nicht selten Grund zur Klage. Brand der Bergkirche, Enteignung, Verschleppung, es sind keine kleinen Wehwehchen, über die die Menschen zu klagen hatten. Und dennoch: sie haben diese Klagen, diese Katastrophen gemeistert und überwunden, haben sich nicht klein kriegen lassen.“ erinnerte uns Birgit an unsere Geschichte. „Und nun schaut euch um, nach mehr als700 Jahren Urweger Dorfgeschichte, was für eine wunderbare Gemeinschaft da ist, trotz Auswanderung, trotz Leben in verschiedensten Städten und sogar Ländern. Ich glaube, dafür können wir Gott loben: wir sind miteinander verbunden, wir sind eine Gemeinschaft.“ Auch das war an diesem Tag deutlich zu spüren. Obwohl sich manche schon Jahre, ja jahrzehntelang nicht mehr gesehen hatten, knüpften sie an die alten Zeiten an, tauschten sich über das seither geschehen aus, frischten Erinnerungen an Damals auf und verbrachten eine kurzweilige Zeit miteinander. Sehr erfreulich fand ich auch, dass viele junge Leute den Weg nach Denkendorf fanden. „Urweger, die dieses Dorf nur von Urlauben und/oder Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern kennen. Sie waren da und sie spürten die Energie und trugen selbst auch zum Gelingen dieses Tages bei.
Die Tanzgruppe ist ein Projekt dieser jungen Urweger. In unserer schönen, farbenfrohen Tracht führten sie sächsische Tänze auf und luden zum Abschluss alle ein bei der „Reklich Med“ mitzumachen. Ja, das ist mein Urwegen. Die Trachten zu sehn berührte mich sehr, ich bin mächtig stolz auf diese jungen Leute, die es möglich machen, die Tradition weiterhin zu erhalten. Auch die Schritte der „Reklich Med“ waren nach ein paar Takten wieder präsent. Ich glaube, das ging nicht nur mir so. Gänsehautfeeling. Dieses verstärkte sich noch bei der Darbietung der Kindertanzgruppe. Engel in Tracht tanzten auf der Bühne einen Tanz, den sie zu Hause eingeübt hatten. Herzergreifend schön. Auch hierfür geht ein herzlicher Dank an alle Eltern, die mit ihren Kindern geübt haben und ganz besonders an Martina Schorsten, die diese wunderbare Idee mit der Kindertanzgruppe hatte und umsetzte und auch die Jugendgruppe mit viel Leidenschaft leitet. Menschen wie sie lassen die alten Bräuche weiterleben und spannen den Bogen zur Zukunft. Zu diesen jungen Menschen gehört auch Tanja Wolf, die sich sehr dafür einsetzt, dass dieses Jahr wieder eine Urweger Gruppe in Dinkelsbühl am Heimattagaufzug teilnimmt. Wer noch Lust hat mitzumachen, kann sich gern bei Tanja melden.
Nadine Zey brachte es auf den Punkt: „wir müssen nicht jeden kennen oder mit jedem gesprochen haben um zu wissen, dass wir etwas gemeinsam haben und uns etwas verbindet.“ Wenn wir die altbekannten Lieder hören, die Trachten sehen oder die von Günther Zeck vorbereitete Diaschow, dann spüren wir sie, die Verbundenheit. Wir tragen die Erinnerung in unseren Herzen, sie wird uns immer begleiten.
Nach dem offiziellen Teil ging es weiter mit der Power Sachsen Band. Sie spielten zum Tanz auf und wir alle ließen sich nicht lange bitten. Wir sorgten bis tief in die Nacht für eine volle Tanzfläche und ausgelassene Stimmung, die sicherlich auch dem köstlichen Urweger Wein geschuldet war. Von mir kann ich behaupten: dieser Wein schmeckt wie Urwegen. Mein Urwegen. Und ich singe heute noch, wenn ich an diesen Tag denke: „Urweger Wein - ist so wie das Blut der Erde , schenk noch mal ein! Und wenn ich dann traurig werde, liegt es daran, dass ich immer träume von daheim du musst verzeihn. Urweger Wein, und die altvertrauten Lieder, komm schenk noch mal ein, denn ich fühl die Sehnsucht wieder….“ Schön wars damals in Urwegen, nicht wahr?
Vielen Dank an die tollen Musiker und den Urweger Winzer Gerhard Schuster. Auch er bringt uns die alte Heimat ein Stück näher. Und doch war das Wichtigste an diesem Tag wohl die Begegnungen mit den Menschen, mit denen man einen Teil seines Weges gegangen ist. Ich fühlte die Verbundenheit und die gemeinsame Geschichte die sehr lebendig war an diesem Treffen. Vielen Dank an alle für die schönen Begegnungen. Und so würde ich auf die Frage „Wot as Glack?“, die gleichzeitig auch Titel des Gedichtes ist, dass Adelheid Elst schrieb und vortrug genau mit ihren Zeilen auch antworten: „Ech ban sihr glacklich wun ich ken Urbijen terf kun, wo ech vill heksch Steangden erliwt hun.“
„Unsere Identidentität als Siebenbürger Sachsen, als Urweger und Urwegerin. Unsere Geschichte, unsere Traditionen und unsere Kultur haben uns zu den gemacht, was wir heute sind – eine starke und stolze Gemeinschaft, die durch die Zeiten hindurch gehalten hat…Wir sollten stolz sein, wer wir sind und woher wir kommen. Unsere Sprache, unsere Bräuche – wie das allbekannte Pfingstwochenende oder die Weihnachtskirche und unsere Geschichten sind ein Teil von uns und sollten niemals vergessen werden“. Recht hast du Nadine.
Wenn ich an meine Zeit in Urwegen denke, denke ich ans „Agruoßen“ nach der Konfirmation - wo jedes junge Mädel ein „Liefken“ bekam; ich denke ans Schurplich („ wo fräher word gedongzd , man Mai och man Treng, och de Porcher verläwt eangder de Fichten soßen“) und ans Wisenrech ( wie Heidi auch in ihren Gedicht), ich denke an den Sportplatz, die Rotscher Stroß und die Rogsenguaß, die Burg und den Friedhof aufm Berg, die Kirche und ihre Feste, den Turm in der Dorfmitte mit dem Marktplatz- wo wir uns als Jugendliche trafen -, ich denke an die vielen schönen Feiern mit meinem „Krinzken“, an die sonntäglichen Treffen mit meinen Klassenkameradinnen, an den Fischteich, den Harrenkampel. Was für Erinnerungen und Geschichten fallen euch ein, liebe Leser, wenn ihr an Urwegen denkt?
Ein schöner Tag wurde uns geschenkt und ich möchte mich bei allen bedanken, die unserer Einladung gefolgt sind und den Tag zu dem gemacht haben was er war: Ein wundervolles Wiedersehen, an das wir uns noch lange erinnern werden.
Lässt er sich wiederholen? Schaun mer mal.
( Monika Hamlescher-Hihn)